Schon immer war es Motto der Pfadfinder, „Menschen jeglicher Herkunft, Religion und körperlichen Einschränkungen“ in ihre Gemeinschaft zu integrieren und sie nach besten Wissen und Gewissen zu unterstützen. Warum die Weißenburger – Pfadfinder stolz auf ihr neues Mitglied sind und warum dank diesem ein richtiger Schritt in Richtung Inklusion von Menschen mit Handicap getan wurde, soll Gegenstand dieses Artikels sein.
Tobias ist dreizehn Jahre alt, lebt zusammen mit seinen Eltern in einem kleinen Ort in der Nähe von Weißenburg und genießt das Leben eines jungen Teenagers. Nicht immer jedoch war es ihm möglich, an allen Freizeitaktivitäten von Kindern seines Alters uneingeschränkt teilzunehmen. Tobias wurde aufgrund eines Sauerstoffmangels während der Geburt mit Schädigungen im Sprachzentrum geboren und ist damit einer von rund 80 000 Menschen in der Bundesrepublik, die aufgrund von einer Gehör- oder Sprachzentrumsschädigung „anders“ mit ihrer Umwelt kommunizieren. Alleine in Deutschland werden jeden Tag rund zwei Kinder mit Gehör- oder Sprachbehinderung geboren.
Der umgangssprachliche Begriff „taubstumm“ ist dabei längst mehr als überholt und nicht mehr aktuell, gar diskriminierend. Während gehörlose vor noch 20 – 30 Jahren als geistig behindert bezeichnet wurden, ist die Forschung und die Auffassung der Gesellschaft nun glücklicherweise eine andere. Sprachbehinderte, beziehungsweise, gehörlose Kinder werden teils zweisprachig – durch Gebärdensprache und Lippenlesen – erzogen und gehen dabei nahezu normalen Alltagstätigkeiten nach, haben einen Beruf und eine Familie. Denn nur weil jemand nichts sagt, heißt das nicht, dass er auch nicht etwas zu sagen hätte.
Stumm ist beispielsweise Tobias weder in seinen Taten noch in seiner Lebensart. Das Leitungsteam in Weißenburg ist von ihm begeistert: „Tobias ist einfach für alles zu begeistern. Die Gruppe hat ihn super akzeptiert und er ist ein festes Mitglied unserer Gemeinschaft geworden.“ meint Gruppenleiter Denis Wallmüller.
Für Tobias ist das Pfadfindersein schon längst zum Alltag geworden. Pünktlich jeden Mittwoch erinnert er seine Eltern an die Gruppenstunde, dass ihn seine Mutter jedoch bis zur Tür begleitet, ist wie für jeden Jungpfadfinder absolut undenkbar. Sie selbst ist, ebenso wie seine Leiter, begeistert von dem Engagement ihres Sohnes: „Tobias sagt mir jeden Mittwoch, wenn er sich mit seinem Lächeln vor dem Pfadfinderhaus bei mir verabschiedet, „Ich kann das alleine!“.
Zum Projekt:
Schon seit ihrer Gründung setzt sich die DPSG in ihrer Ordnung für die gleiche Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ein. In den einzelnen Diözesen gibt es dabei entweder verschiedene Arbeitskreise oder Referenten, die sich für Projekte mit Menschen mit Handicap beschäftigen.
Das Projekt „Inklusion“ in der Diözese Eichstätt wurde ursprünglich von Claudia Pössnicker von der Tagesstätte für Kinder und Jugendliche der Regens-Wagner-Stiftung Zell und Thomas Pelz, Projektreferent der Diözese Eichstätt ins Leben gerufen. „Wir wollten unbedingt auch Menschen mit Handicap den Zugang zu unseren Pfadfindergruppen ermöglichen, da der Umgang miteinander teilweise fremd ist. Aus einem Gespräch mit Claudia sind wir auf Tobias aufmerksam geworden und nach einigen Briefwechseln kam er in die erste Gruppenstunde!“
Trotz anfänglicher Bedenken in Bezug auf die Umsetzbarkeit, wurden diese schnell verworfen. Schon in den der ersten Gruppenstunde stand fest, dass das Projekt ein Selbstläufer wird, so Pelz.
Zwar ist die Möglichkeit, als Sprachgeschädigter oder Gehörloser bei anderen Jugendgruppen teilzunehmen insbesondere auf dem Land noch immer sehr eingeschränkt, jedoch zeigen sich mehr und mehr Fortschritte. „Die Zusammenarbeit mit den Pfadfindern ist sehr gut und ich würde mir mehr solcher Projekte auf dem Land wünschen“ sagt Tobias Mutter.
Um unteranderem diesem Wunsch noch weiter entgegen zu kommen, sind für das anstehende Diözesanzeltlager 2013 der Diözese Eichstätt am Osterberg in Pfünz auch ein oder mehrere Tage für Kinder mit Handicap in Planung, an welchem diese das Lagerleben kennenlernen - und so vielleicht den Einstieg ins Pfadfinderleben finden - können.
Insgesamt zeigte sich, dass solcherlei Projekte nicht nur notwendig sind, sondern auch fair, menschlich und vor allem normal. Während Tobias dank seinen Eltern, der Tagesstätte und der DPSG zu den Pfadfindern gefunden hat, planen diese bereits an weiteren Projekten zum Thema Inklusion. Einiges ist noch zu tun, um Kindern wie Tobias das gleiche Leben zu ermöglichen, dass die meisten von uns führen. Jugendgruppen und Jugendorganisationen bilden dabei die erste – und vielleicht beste – Anlaufstelle. Nur durch frühes Zusammenleben zwischen Kindern mit Handicap und anderen Kindern können Vorurteile und Barrieren abgebaut werden.
Denn Tobias Freude und sein Tatendrang zeigen, was die Pfadfinder und uns Menschen so besonders macht:
Wir sind alle gleich und doch so verschieden.
Von Philip Eichinger
Weitere Informationen und Hilfe bei Anfragen zu unseren Projekten finden sie unter http://www.dpsg.de/aktivdabei/behindertenarbeit/
Für Rückfragen wenden sie sich bitte an den Referenten für Öffentlichkeitsarbeit, Philip Eichinger